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Es war ein Tag der Begegnung, des Dankes und der Inspiration: Der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) feierte im Eugen-Seitz-Bürgerhaus in Krautheim sein 70-jähriges Bestehen – gemeinsam mit Ehrenamtlichen, Unterstützerinnen, Vertreterinnen aus Politik, Wirtschaft und der Verbändelandschaft sowie den BSK-Tochtergesellschaften.
Vielfalt, Innovation und persönliche Verbundenheit
Der Tag begann mit einem offenen Come-together: Bei Sekt, Fotobox, Gästebuch und Mini-Messe konnten sich die Gäste austauschen. Fünf Aussteller mit BSK-Bezug präsentierten inklusive Projekte – darunter das Onlinemagazin Freizeitpark Erlebnis, die mobile Kegelschiene.net, barrierefreie Wohnlösungen von Lehnen GmbH, die freihändige Steuerungssoftware von Treye IT sowie individuelle Sitzlösungen von TRV GmbH.
Sympathisch und mit spürbarer Vereinsnähe führte der langjährige frühere BSK-Geschäftsführer Robert Keppner durch das Programm.
Grußworte mit Haltung und Tiefgang
Die BSK-Bundesvorsitzende Verena Gotzes eröffnete den offiziellen Teil und erinnerte an die Meilensteine der Verbandsarbeit – insbesondere an die Grundgesetzänderung von 1994: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ – ein Erfolg, den der BSK maßgeblich mit erkämpft hat. Gleichzeitig rief sie zum Weitermachen auf: „Trotz aller Erfolge bleibt viel zu tun. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist vielerorts noch immer nur ein freundlicher Hinweis – aber kein gelebtes Recht.“
Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, schloss in seinem Grußwort an: „Eduard Knoll hat den BSK in einer Zeit gegründet, die im Schatten des verheerenden Zweiten Weltkrieges stand. Seitdem hat sich die rechtliche Situation von Menschen mit Behinderungen zwar deutlich verbessert, aber sie erleben noch immer strukturelle Benachteiligungen. Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe ist Barrierefreiheit. Barrierefreiheit ist also kein ‚Nice to have‘, sondern ein Menschenrecht!“
Krautheims Bürgermeister Andreas Insam betonte in seinem Grußwort: „Hier wird Inklusion gelebt – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Behinderung. Der BSK hat Krautheim zu einem Ort gemacht, der in Sachen Barrierefreiheit vielen anderen Gemeinden voraus ist.“ Auch Yvonne Bader, Sozialdezernentin des Hohenlohekreises, würdigte den Verband als starke Stimme und verlässlichen Partner in der Region.
Per schriftlichem Gruß gratulierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann dem BSK zum Jubiläum und nannte ihn eine „starke Stimme in der Selbsthilfelandschaft“. Die BSK-Aktive und heutige Landtagsabgeordnete Katrin Gensecke ließ ihr Grußwort verlesen und kündigte an, den Verband in Sachsen-Anhalt weiter auszubauen.
Stimmen der Selbstvertretung: bewegende Einblicke
Robby Beer, ehemaliges BSK-Vorstandsmitglied und Bewohner des EKWZ, berichtete eindrucksvoll von über fünf Jahrzehnten Vereinsleben: „Als junger Mann kam ich nach Krautheim – begeistert von Eduard Knolls Vision: Barrierefreies Wohnen, echte Teilhabe, inklusive Arbeitsplätze. Diese Energie wünsche ich mir zurück – wie eine Schallplatte in der Disko, die alle aufhorchen lässt.“
Auch Michaela Schmid-Lutz, Vertreterin der Bewohner*innen im EKWZ, blickte auf ihren Lebensweg: „Ich hab mich lange wie ein Mauerblümchen gefühlt. In Krautheim habe ich gelernt, dass ich mehr kann – und heute setze ich mich dafür ein, dass auch meine Freunde hier ihre Stimme erheben können.“
Nadine Kress, Geschäftsführerin von EKWZ und HIU, erinnerte an die Wurzeln ihres Engagements: Als Kind streunte sie bereits um die Einrichtungen, machte später ein Praktikum – heute steht sie an der Spitze: „Unsere Arbeit bedeutet: Mehr Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung. Und wir gestalten Zukunft – mit den Menschen hier vor Ort, nicht über sie hinweg.“
Stefan Blank, Geschäftsführer der WfbM Krautheim, schlug den Bogen zur Gründungszeit des BSK: „Eduard Knoll hat mit seinem Engagement einer stillen Minderheit eine Stimme gegeben. Krautheim kann zu Recht als Wiege der Inklusion gelten. Lassen Sie uns dieses Modell in die Fläche tragen.“
Ehrung verdienter Persönlichkeiten
Für ihre langjährigen Verdienste beim BSK e.V. geehrt wurden: Gerda Fleig (Leitung BSK-Bereich Augsburg), Joachim Weiß (stv. Leitung Selbsthilfe Körperbehinderter Landesverband Bayern e.V.) und – als Überraschung – auch die Bundesvorsitzende Verena Gotzes, die bereits seit dem 30. August 1979 Mitglied im BSK und seit fast 30 Jahren Vorstandsmitglied ist.
Comedy mit Haltung – und ein starkes Schlusswort
Für beste Unterhaltung sorgte zum Abschluss Martin Fromme, Deutschlands bekanntester Comedian mit Behinderung. Mit schwarzem Humor, Selbstironie und viel Charme stellte er klare Fragen: „Trinken Gehörlose nur stilles Wasser?“ oder „Wäre ein sehender Hund für Blinde nicht praktischer als ein Blindenhund?“ – Das Publikum lachte Tränen und nahm dabei eine klare Botschaft mit: Humor ist Teil von Inklusion.
Mit einem herzlichen Dank an alle Mitwirkenden – darunter die Jugendfeuerwehr Krautheim, die Phoenix-Garde des TSV, das HIU-Team, die Aussteller*innen sowie alle Gäste – schloss Verena Gotzes die Veranstaltung. Ihr Fazit: „Der BSK ist und bleibt eine starke Stimme für Selbstbestimmung und Teilhabe! Seit 70 Jahren steht der Verband für Solidarität, Mut und Veränderung. Und diese Geschichte ist noch lange nicht zu Ende geschrieben.“