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Beratung
Die EUTB ist die Abkürzung für „ergänzende unabhängige Teilhabeberatung“.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert Stellen die unabhängige Beratung für Menschen mit einer (drohenden) Behinderung und deren Angehörige anbieten, § 32 SGB IX. Die Förderung läuft seit dem 01.01.2018. Gefördert werden die Beratungsstellen durch staatliche Fördergelder. Im Förderumfang enthalten sind unter anderem die Personalkosten für die Beratenden.
Warum eigentlich unabhängig und ergänzend?
Bei der Förderung ist es wichtig, dass die Beratung nicht von denjenigen erbracht wird, die schon Leistungen für Menschen mit Behinderung anbieten. Dahinter steht der Wunsch, dass von Anfang an klar ist, dass der Beratende nur im Interesse des Ratsuchenden berät und nicht hin zu dem Leistungsangebot des Beratenden beraten wird. Gestärkt werden sollen vor allem kleinere unabhängige Vereine der Selbsthilfe.
Ergänzend bedeutet, dass die Beratung keine anderen Beratungen wie beispielsweise die der Rentenstelle ersetzen soll, sondern zusätzlich da ist. Es soll etwas völlig Neues entstehen.
Wer berät über was?
Für die EUTB ist es wichtig, dass die Beratenden selbst wissen wovon sie sprechen. Dies ist meistens dann so, wenn sie selbst eine Behinderung haben oder ein Angehöriger eine Behinderung hat. Durch die persönliche Lebenserfahrung wissen die Beratenden wie die Ratsuchenden sich fühlen und worauf es ankommt. Das Hervorheben des Peer-Aspektes gibt es so noch nicht in der Beratungslandschaft.
Befristung bis 2022
Die Förderung der EUTB ist befristet bis 2022. Danach soll entschieden werden, ob die Stellen eine dauerhafte staatliche Förderung erhalten. Ob die EUTB –Beratungsstellen gute Arbeit machen und die EUTB-Stellen tatsächlich notwendig sind, wird mit Hilfe einer Evaluation entschieden.
Mehr zur EUTB und den EUTB-Stellen
Mehr zur EUTB und den Beratungsstellen findet ihr auf der offiziellen Webseite der EUTB. Dort gibt es auch eine App für das Auffinden der lokalen EUTB-Beratungsstelle.
EUTB-Stellen des BSK
Auch der BSK und seine Untergliederungen konnten verschiedene EUTB-Beratungsstellen eröffnen. Diese können unter BSK vor Ort gefunden werden.
Warum die EUTB-Beratungsstellen so wichtig sind erklären unsere Beratungsstellen hier.
„Sie wurden uns empfohlen, weil uns kein anderer weiterhelfen kann.“
Dieser Satz prägt unsere Tätigkeit in der EUTB Main-Tauber-Kreis. Wir sind ein flächenmäßig großer, sehr ländlicher Landkreis. Die Nahverkehrsmöglichkeiten sind schlecht bis gar nicht vorhanden. Menschen mit Einschränkungen haben es hier noch schwerer mobil zu sein. Dementsprechend schwierig gestaltet sich auch die Antragsstellung, der Besuch bei Behörden etc. Viele Menschen kapitulieren.
Warum ist hier die EUTB-Beratungsstelle so wichtig?
Weil sie aufsuchend arbeitet, unabhängig ist, Bedürfnisse feststellt und ein Vermittlungsglied zwischen Betroffenen und Ämtern und Behörden herstellt.
Ein Fall zeigt das ganz deutlich:
Wir wurden von einem Mann angerufen, mit der Bitte ihn dringend zu besuchen, weil er einige Formulare ausfüllen müsse, damit er weiter Unterstützung bekäme. Bei dem Hausbesuch bot sich uns ein erschreckendes Bild. Der Mann ist schwer zuckerkrank, konnte sich keine Medikamente kaufen, Miete und laufende Kosten fraßen seine gesamten Einkünfte auf. Er hatte kein Geld sich Essen oder lebensnotwendige andere Dinge zu besorgen. Eine Nachfrage beim Jobcenter ergab, dass er dort noch als vermittelbar geführt wurde. „Wir machen keine Hausbesuche. Deshalb war uns die Situation nicht klar.“ So die Aussage der zuständigen Sachbearbeiterin. Es wurden Gespräche mit Krankenversicherung, MDK, Eingliederungshilfe, Jobcenter, Nachbarschaftshilfe etc. geführt, damit wenigstens die Grundversorgung gesichert ist. Nach langen, zeitintensiven Gesprächen konnten wir folgende Erleichterungen für unseren Klienten erreichen:
Das Jobcenter bedankte sich für unsere schnelle und konstruktive Hilfe, da ihre Möglichkeiten begrenzt sind. Genauso ist es bei anderen Stellen. Uns ist eine gute Zusammenarbeit wichtig und dies fließt auch in unsere Arbeit mit ein. Durch die Möglichkeit der niederschwelligen Hilfe, können wir da ansetzen, wo Menschen mit Einschränkungen drohen durch das „soziale Raster“ zu fallen. In der Zwischenzeit haben wir uns ein gutes Netzwerk aufgebaut um unsere Klienten adäquat unterstützen zu können. Dies ist oftmals sehr zeitintensiv, aber es lohnt sich.
Unsere EUTB-Stelle ist Anlaufstelle für Menschen von 0-100 Jahren, für Betroffene, Eltern, Kinder, Senioren, soziale Stellen und Behörden. Wir bilden eine Schnittstelle, vermitteln, helfen und begleiten. Die EUTB muss bestehen bleiben, damit diese Menschen nicht durch das soziale Raster fallen und eine Anlaufstelle haben, wo sie wertschätzend empfangen werden und ihre Anliegen ernst genommen werden.
23. September 2019
Text: Anja Weinmann / EUTB-Beratungsstelle Main-Tauber-Kreis
Das Kooperationsprojekt des bvkm und des BSK heißt ab sofort "Netzwerk unabhängige Beratung".
Der bisherige Name des Projektes "Der Rechtsweg ist nicht ausgeschlossen" wird unter anderem aus Gründen des besseren Verständnisses durch den aktuellen Namen neu definiert. Alles andere bleibt!
Der Rechtsweg ist nicht ausgeschlossen!
Der Rechtsweg ist nicht ausgeschlossen ist ein Kooperationsprojekt des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (bvkm) und des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK).
Ziel des durch die Stiftung Deutsche Behindertenhilfe geförderten und auf vier Jahre angesetzten Projektes ist der Aufbau und die Etablierung von Beratungsstellen. Sie sollen eine unabhängige Beratung über Teilhabeleistungen und deren Durchsetzung für Menschen mit Behinderung und ihren Familien anbieten.
Die Neuausrichtung der Leistungen der Eingliederungshilfe auf personenzentrierte Leistungen hin eröffnet Menschen mit Behinderung eine größere Zahl von Entscheidungsoptionen, die wahrgenommen und umgesetzt werden können. Die Verbände bvkm und BSK wollen gemeinsam in Modellregionen aufzeigen, wie dauerhafte Strukturen zur sozialen und sozialrechtlichen Beratung aufgebaut werden und zur Durchsetzung des Rechts zur gleichberechtigten Teilhabe beitragen können. Diese individuell, kompetent und anwaltschaftlich, also nur dem Interesse der Ratsuchenden verpflichtete Beratung, verstehen beide Verbände als Ergänzung bestehender Beratungsmöglichkeiten. Sie zielt zusätzlich auf die dauerhafte Stärkung des Einzelnen durch Empowerment.
Hier gelangen Sie zur Website des Projekts.
Neulich kam ein älteres Ehepaar zu uns in die Beratung. Beide waren schon weit über 70 Jahre alt und hatten einen sogenannten geistig behinderten Sohn.
Eigentlich sollte es bei der Beratung um besondere Wohnformen und eine Alternative zur Werkstatt für den Sohn gehen, doch schnell wurde klar, dass das Paar einen großen Redebedarf hatte.
Sie sprachen darüber, wie schwer es ist, mit dem Sohn, der nicht sprach, zu kommunizieren und ihn zu verstehen. Wie sie sich in den 70er Jahren an Erziehungsberatungsstellen wandten, die nichts mit behinderten Kindern anfangen konnten. Dort bekamen sie Ratschläge, die man heute als Vernachlässigung oder sogar Kindeswohlgefährdung bezeichnen würde.
Sie erzählten uns von den schlechten Erfahrungen, die sie mit der Schule und der Werkstatt gemacht haben, in die der Sohn am Anfang gerne, und später nur unter Zwang gegangen ist, bis sie es nicht mehr über das Herz brachten, ihn dort noch länger hinzuschicken.
Sie sprachen mit Stolz und Amüsement über das gute Gedächtnis und den guten Orientierungssinn ihres Sohnes, und wie gut er sich mit seinen Nichten verstehen würde.
Nachdem sie sich alles von der Seele geredet haben, besprachen wir auch ihr ursprüngliches Anliegen. Die Eltern waren beeindruckt, wie kompetent die Beratung war und wie viel Mühe wir uns bei der Recherche gemacht haben. Das würden Sie von anderen Stellen, an die sie sich mit ihren Fragen gewandt haben, so nicht kennen.
Während sie zum Ausgang begleitet wurden, sprachen sie mit Verwunderung darüber, dass eine der Beraterinnen Rollstuhlfahrerin war.
Die EUTB ist eine Anlaufstelle, an die sich einfach jeder wenden kann, den das Thema „Behinderung“ betrifft. Durch die fachlichen Beratungen, die von Menschen mit Behinderung durchgeführt werden, verändert die EUTB nachhaltig die Art und Weise, wie Menschen mit Behinderung von Dritten wahrgenommen werden. Deshalb sollte die EUTB unbedingt und unbefristet bestehen bleiben.
10. September 2019
Text: Agnes Barczewski
Der Alltag in unserer EUTB – Beratungsstelle in Lüneburg hält eine Vielfalt an Themen und Aufgaben bereit.
Im Beratungsalltag begegnen wir:
Die EUTB`s brauchen Zeit und Planungssicherheit
Es gibt uns nun 1,5 Jahre und wir haben viel Zeit und Kraft in die Vernetzung gesteckt. Dadurch, dass wir keinen Leistungsträger und Leistungserbringer als Träger der Beratungsstelle haben, mussten wir erst einmal in die Netzwerke reinkommen, die andere Anbieter bereits hatten, da es sie schon lange gibt. Wir haben also alle Arbeitskreise persönlich aufgesucht und uns vorgestellt. Jetzt, nach 1,5 Jahren, merken wir, dass wir in den Köpfen der Netzwerkpartner angekommen sind und nun Ratsuchende an uns weiter verwiesen werden. Gleichzeitig hören wir aber auch oft, dass den Ratsuchenden ein Hinweis auf uns selten reicht. Meist kommen die Klienten zu uns, wenn Sie das 2. oder 3. Mal von uns hören. Auf die Frage warum es den Menschen schwer fällt, gleich beim ersten Mal Kontakt zu uns aufzunehmen, wird deutlich, dass es nicht an uns oder unserem Angebot liegt, sondern an der Tatsache, dass die meisten das Gefühl haben, sie müssten sich selbst zunächst eingestehen, dass sie es nicht alleine schaffen und Unterstützung brauchen. „Alle andern um uns herum schaffen doch auch alles alleine. Nun haben wir schon ein besonderes Kind und dann schaffen wir das auch nicht….“
Ergänzend kommen Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung zu uns, die teilweise sehr schlecht deutsch sprechen und es für viele Sprachen auch keine Kulturmittler in der Muttersprache der Ratsuchenden gibt. Dies stellt uns in der Beratungssituation vor eine große Herausforderung. Oft ist es schwer zu verstehen, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorliegen, wie der Stand der medizinischen Versorgung ist und worum es aktuell genau geht. Meist ist viel Zeit und Geduld nötig, um diese komplexen Zusammenhänge adäquat begleiten zu können und diese Beispiele machen auch deutlich, dass eine Beratung in der EUTB viel mehr ist, als das reine Gespräch an sich. Eine Beratung bei uns birgt sehr viel Vor- und Nachbereitungszeit. Diese hängt nicht zuletzt natürlich auch vom Ratsuchenden selber ab. Oft reicht „Hilfe zur Selbsthilfe“ nicht aus. Diese Zeiten werden nirgends dokumentiert oder evaluiert und dennoch nehmen sie einen unglaublich großen Raum ein. Kritisch anzumerken bleibt, dass es bei Ratsuchenden im fremdsprachigen Kontext zumeist auf einer sehr „oberflächlichen Ebene“ bleibt. Wir bekommen die Hilfen und die ihnen zustehenden Leistungen organisiert, aber um tiefer in die Thematik einzusteigen oder auf psychosozialer Ebene einmal darüber ins Gespräch zu kommen, ob eine persönliche psychologische Aufarbeitung des Erlebten ergänzend sinnvoll erscheint, ist nahezu unmöglich.
Peer-Beratung ist sehr wichtig
Womit wir wahnsinnig gute Erfahrungen machen ist die Peer-Beratung. Wir sind in den Beratungssequenzen nicht verpflichtet zu sagen, dass wir Eltern von Kindern mit Handicaps sind. Wenn wir das jedoch tun, verändert sich das Gespräch innerhalb von wenigen Sekunden zu einem ganz anderen und wir hören nicht selten: „Ach Sie sind auch Mutter von einem Kind mit Behinderung – na dann wissen Sie ja was ich meine“. Ja genau, das wissen wir und dieser Erfahrungsschatz macht es uns möglich Dinge zu benennen, die man vielleicht nur benennen kann, wenn man gewisse Situationen bereits selbst durchlebt hat.
Zu Beginn dachten wir, dass vermutlich primär Familien zu uns kommen, die neu mit dem Thema Behinderung konfrontiert sind, doch diese Überlegung haben wir schnell zur Seite gelegt. Auch Erwachsene und Familien, die schon lange mit dem Thema konfrontiert sind kommen oft zu uns und sagen nicht zu selten: „Ach wenn es Sie doch schon früher gegeben hätte! Wir haben uns immer irgendwie durchgewurschtelt, aber eine Anlaufstelle wie Sie haben wir uns immer gewünscht!“ Und hier wird deutlich: Natürlich haben es die Menschen mit Behinderung und deren Angehörige immer irgendwie geschafft, aber zum einen sicherlich nicht mit all dem was ihnen zusteht und zum anderen mit einem ordentlichen Rüstzeug um den ein oder anderen Kampf an den gewissen Stellen kämpfen zu können. Und es wird noch etwas deutlich in unserem Alltag: Es gibt ganz viele Menschen, die nicht das beantragen was ihnen zusteht. Zum einen, weil sie nicht wieder einen Ablehnungsbescheid erhalten möchten und zum anderen weil sie keine Kraft mehr aufbringen können, um zu kämpfen. Ergänzend kommt hinzu, dass viele Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen gar nicht wissen was Ihnen zusteht und somit Unterstützungs- und Entlastungsleistungen schlichtweg nicht in Anspruch nehmen können.
Unabhängige Beratung ist unverzichtbar
Erschreckenderweise wird auch immer wieder deutlich, dass die Ratsuchenden berichten, dass Leistungserbringer/-anbieter die bereits in den Familien sind, oftmals nicht im Interesse ihrer Klienten beraten und unterstützen. Wir hatten beispielsweise mal eine Familie, in welcher bereits seit Jahren ein Pflegedienst tätig war. Nun ging es um die Beantragung eines Pflegegrades für das Kind. Wir haben mit der Familie alles besprochen was diesbezüglich wichtig ist zu wissen. Die Eltern hatten sich Unterstützung für den MDK-Termin gewünscht und im Laufe des Gespräches wurde deutlich, dass es vielleicht sinnvoll wäre den Pflegedienst, der die Familie bereits seit Jahren kennt, zu bitten das Gespräch zu begleiten. Einige Tage später rief die Familie an und war entrüstet darüber, dass ihr Pflegedienst sie ausgelacht habe, als sie ihn um Unterstützung gebeten hatten und behaupteten, einem Kind stehe ein Pflegegrad sowieso nicht zu. Wir haben die Situation noch einmal besprochen und die Familie hat sich entschieden dennoch den Antrag auf Pflegeüberprüfung zu stellen und den Termin alleine mit dem MDK zu machen. Nach einigen Wochen rief die Familie wieder an und teilte uns mit, dass das Kind den Pflegegrad 3 bekommen habe. Die Familie war sehr glücklich darüber und wir haben uns noch einmal getroffen, um zu besprechen, was nun aus dem Pflegegrad 3 für die Familie resultiert und was es noch ergänzend zu bedenken gibt.
Aber auch wir kommen ab und zu an unsere Grenzen und zwar immer dann, wenn es ein Recht auf eine Leistung gibt, der Leistungserbringer aber z.B. aus Personalmangel nicht in der Lage ist, diese zu leisten. Dies erleben wir im Bereich häusliche Kinderkrankenpflege sehr deutlich. Hier ist – obwohl wir in der Nähe des Großraumes Hamburg leben – keine Leistungserbringung möglich. Wir bleiben trotzdem am Ball!
Fazit
Unser Fazit nach 1 ½ Jahren EUTB „PädInklusiv“: die Beratungsstelle wird gut in Anspruch genommen. Da jede Fragestellung der Ratsuchenden jedoch anders gelagert ist und wir sehr häufig mit komplizierten Sachverhalten konfrontiert werden, ist die Beratungsarbeit sehr abwechslungsreich aber eben auch sehr zeitintensiv in der Vor- und Nachbereitung. Es wird immer wieder deutlich, dass Kinder mit Beeinträchtigungen oder chronischen Erkrankungen keine kleinen Erwachsenen sind und nicht von anderen Stellen einfach „so mitgemacht“ werden können. Hierfür werden spezielles Fachwissen und die Unterschiede zum Umgang mit Erwachsenen benötigt. Wir bekommen viel positives Feedback der Angehörigen und hoffen, dass von Seiten der Bundesregierung eine Entfristung ermöglicht wird, damit wir auch künftig noch viele Menschen auf ihrem Weg in eine gleichberechtigte Teilhabe begleiten dürfen.
14. Juli 2019
Text: Cornelia Baumann und Carina Schmöle-Karst
E-Mail gesundheit@ft.bsk-ev.org