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„Ein strahlendes Gesicht wie das von Uliana vergisst man nie mehr!“

Arno Günther von der BSK-Kontaktstelle Idar-Oberstein verhilft jugendlichen Flüchtlingen aus der Ukraine zu einem mobilen Leben – Für Olia wird noch dringend ein passender Rollstuhl gesucht.

von jp

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  • Aus dem Verband

Russlands Krieg in der Ukraine sorgt landesweit für unsägliches Leid und Schmerz: Häuser in einst idyllischen Wohngegenden sind zerbombt, Familien werden getrennt und unzählige Menschen mit und ohne Körperbehinderung müssen unter unwirtlichen Bedingungen aus ihrer Heimat fliehen – viele mit nicht mehr als ihren Kleidern am Leib und ein paar Habseligkeiten, die ihnen ganz besonders am Herzen liegen. Glücklicherweise fanden sich sehr schnell freiwillige Helfer*innen, die mit ihren Fahrzeugen Flüchtlinge von der polnischen Grenze, aber auch direkt aus der Ukraine, nach Deutschland in Sicherheit brachten. So kamen auch Olia mit ihrer Mutter und Uliana mit ihrer Tante in einer Nacht-und-Nebel-Aktion quer durch Deutschland nach Weiden bei Idar-Oberstein. – Eine Flucht mit ganz besonderen Herausforderungen, denn Olia sowie Uliana sind schwerbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen.

In Weiden angekommen, wurde ihnen von der Familie Faust eine barrierefreie Ferienwohnung als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Wie es der Zufall will: Frau Faust ist die Schwester von Arno Günther, Delegierter und Kontaktstellenleiter des Bundesverbands Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) e. V. in Idar-Oberstein, wodurch schnell ein Kontakt hergestellt werden konnte. „Vor einer Weile haben wir hier in Idar-Oberstein vom BSK aus einen aufbereiteten Rollstuhl zur Unterstützung in ein ukrainisches Krankenhaus geschickt“, berichtet Arno Günther. Doch das sei in Anbetracht der schrecklichen Zustände in der Ukraine noch lange nicht genug. Dass die beiden jungen Frauen, die an spastischer Zerebralparese erkrankt sind, mit Rollstühlen angekommen sind, deren Zustand mehr als nur bedenklich ist, hat alle Beteiligten sehr betroffen gemacht. „Ich konnte zuerst gar nicht glauben, was ich da sehe. Uliana und Olia kamen mit klapprigen, behelfsmäßig geflickten, viel zu kleinen Rollstühlen an. Ein lebenswertes Leben sieht anders aus, denn diese Rollstühle machen die Frauen nicht nur komplett von der Hilfe durch Mutter bzw. Tante abhängig, sondern verstärken auch die motorischen Probleme, die eine Zerebralparese mit sich bringt.“

Natürlich sei die Erkrankung, bei der es zu willkürlich auftretenden Bewegungsstörungen und Muskelsteife kommt, ein Hindernis, aber passende Rollstühle würden für die Frauen den Alltag deutlich erleichtern. Denn die viel zu kleinen Gefährte stellen für Olia und Uliana definitiv ein Hindernis dar, keine Möglichkeit zur echten Teilhabe in der Gesellschaft. „Olia, die aufgrund ihrer Größe und jugendlichen Gesichtszüge oft für ein Kind gehalten wird, bezeichnet ihren behelfsmäßig mit Kissen gepolsterten Buggy mit Haltebügel selbst als Kinderwagen – und einen Kinderwagen brauchen nun mal Babys und Kleinkinder. Dabei ist die junge Frau bereits 25 Jahre alt und hat genug von all den mitleidigen Blicken“, berichtet Arno Günther. „Auch Uliana muss in ihrem alten, abgenutzten und zu kleinen Rollstuhl grundsätzlich geschoben werden, obwohl sie mit ihrem linken Arm eigenständig in der Lage ist, einen E-Rolli zu steuern. Da konnte ich nicht tatenlos zusehen – nicht in meiner Funktion für den Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter und noch weniger als Mensch!“

Gesagt. Getan! – Für Uliana wurde ein passender Rollstuhl mit einem E-FIX 25, einem elektrischen Zusatzantrieb, so ausgestattet, dass sie ihn mit ihrer linken Hand selbst steuern kann. Durch einfaches Umstecken der Steuereinheit in die Nähe der Schiebegriffe ist es zudem möglich, dass der Rollstuhl alternativ von einer Begleitperson gelenkt wird. Durch eine Nachfrage bei der Firma Alber GmbH konnte zudem in kürzester Zeit eine umfangreiche Bedienungsanleitung in russischer Sprache organisiert werden. „Ein so strahlendes Gesicht wie das von Uliana, als sie sich – zum allerersten Mal in ihrem Leben eigenständig! – in ihrem Rollstuhl durch den Garten bewegen konnte, vergisst man nie mehr“, erzählt Arno Günther noch immer sichtlich bewegt. Die junge Frau habe ihr Glück gar nicht fassen können und ihre Tante die eine oder andere Freudenträne verdrückt.

Mittlerweile sind die beiden Frauen in Polen, in der Nähe der ukrainischen Grenze angekommen. Denn nach der strapaziösen Flucht ereilte ein weiterer Schicksalsschlag Uliana. Ihre Mutter hatte einen schweren Schlaganfall und ist seitdem voll pflegebedürftig, wie Arno Günther berichtet. „Dass Uliana in der Nähe ihrer Mutter sein will, verstehe ich. Sie hat meinen höchsten Respekt, dass sie sich für die Familie selbst in Gefahr begibt. Wir drücken alle Daumen, dass Ulianas Mutter zeitnah mit einem Krankentransport aus dem Land gebracht werden kann und dann alle vereint ein neues Leben in Sicherheit beginnen können.“

Die frei gewordene Unterkunft blieb allerdings nicht lange ungenutzt. Für Uliana ist ein junger Mann aus der Ukraine eingezogen. Auch Andreii hat Zerebralparese. Doch schafft er es, mit Unterarmgehstützen selbständig mehr schlecht als recht zu laufen. Das Angebot selbst auch einen Rollstuhl zu bekommen, lehnte er mit den Worten „Ich kann ja schließlich noch gehen!“ ab. Dazu Arno Günther: „Ich verstehe nur zu gut, dass man diese Freiheit nicht aufgeben möchte, auch wenn das Gehen schwerfällt und anstrengend ist.“ Doch dann erzählte Andreii, dass er in der Ukraine einmal einen E-Scooter fahren durfte und seitdem von einem eben solchen Gefährt träume. Natürlich werden Arno Günther, seine Familie und der BSK e. V. auch hier nach Kräften unterstützen, um Andreiis Traum vom E-Scooter zu verwirklichen.

Doch zunächst einmal benötigt Olia dringend Hilfe. Ihr „Rollstuhl“ ist ein Kinderbuggy mit einem montierten Sitzgestell, ohne Kissen und ohne anständige Polsterung. „Wir haben der jungen Frau, die durch ihren unpassenden Rollstuhl teils offene, sehr schmerzhafte Druckgeschwüre entwickelt hat, erst einmal ein spezielles Silikonkissen als Soforthilfe zur Verfügung gestellt.“ Gleichzeitig konnten Tipps zur Behandlung und Pflege gegeben werden, da Arno Günther im Beruf Lehrer für Pflegeberufe gewesen ist und viele Jahre als Fachkrankenpfleger auf Intensivstationen gearbeitet hat. Auch von der Lebenshilfe Idar-Oberstein wird Olia – wie zuvor auch Uliana – betreut. Für den Transport von der Unterkunft zur Lebenshilfe und zurück sind die alten Rollstühle der jungen Frauen aber nicht zu gebrauchen. „Gott sei Dank konnten aber Rollstühle für die sichere Fahrt leihweise zur Verfügung gestellt werden“, so Arno Günther.

Doch Olias Ersatzrollstuhl ist leider immer noch nicht das wahre, um für sie und ihre Mutter eine problemlose Tagesgestaltung zu ermöglichen. Auch wenn die Krankengymnastik, die Olia zweimal pro Woche erhält, und die täglichen Bewegungsübungen mit dem von uns bereitgestellten MOTOmed (auch die Firma RECK-Technik GmbH & Co. KG hatte innerhalb kürzester Zeit eine Bedienungsanleitung in russischer Sprache zur Verfügung gestellt) sichtlich helfen, benötigt Olia einen speziell auf ihre Bedürfnisse angepassten, gepolsterten Rollstuhl mit Kopf- und Seitenstützen. „Wenn uns hier eine Firma, ein Verein oder auch eine Privatperson unter die Arme greifen kann, wäre das einfach genial“, so der beherzte Aufruf von Arno Günther: „Denn wir benötigen passgenaue Hilfe, um Olia ein bestmöglich mobiles Leben zu schenken. Ich versichere aus eigener Erfahrung, die unendliche Dankbarkeit der kleinen ukrainischen Familie ist dem oder der Unterstützer*in sicher!“

Zum Zeitungsartikel

(Text: bsk-ev / Fotos: Arno Günther

Foto1: Olia im Behelfsrollstuhl, rechts sieht man ihren alten Kinderwagen.

Foto2: Uliana freut sich über ihren selbst steuerbaren Rollstuhl)

Unterstützung und Kontakt:

Wenn Sie mit einem passenden Rollstuhl – gut gepolstert, mit Kopf- und seitlichen Stützen sowie mit einer Breite und Sitztiefe von 38-40 cm – für Olia helfen können, melden Sie sich bitte zur weiteren Absprache direkt bei Arno Günther, Leitung der BSK-Kontaktstelle Idar-Oberstein, unter Tel.  06781 22352 oder per E-Mail an arnoguenther@kabelmail.de