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Barrierefrei bauen? In jedem Bundesland anders...
Barrierefreies Bauen ist Ländersache – jede Landesbauordnung regelt es anders. Das führt zu teils großen Unterschieden, vielen Ausnahmen und erschwert Planung, Beratung und Umsetzung. Teilhabe wird so für Menschen mit Behinderungen unnötig behindert.
Der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) fordert daher: Einheitliche Standards, klare Regeln mit Folgen bei Verstößen und gezielte Förderung für bezahlbaren barrierefreien Wohnraum – bundesweit.
„Wir erleben in der Praxis täglich, wie sehr das Kompetenz-Wirrwarr zwischen den Bundesländern die Beratung und Umsetzung barrierefreier Bauvorhaben erschwert“, erklärt Verena Gotzes, Bundesvorsitzende des BSK und ehrenamtliche Leitung des vereinseigenen Fachteams Bauen. „Ob Betroffene, Fachleute oder Behörden – niemand blickt mehr durch. Die Bauvorgaben sind oft seitenlang, widersprüchlich und voller Ausnahmeregelungen. Das ist ein fatales Signal an alle Menschen, die auf barrierefreien Wohnraum angewiesen sind.“
Barrieren in der Gesetzgebung: Ausnahmen statt Verlässlichkeit
Leider kommt auch die aktuelle Analyse des Deutschen Instituts für Menschenrechte zu einem ernüchternden Ergebnis: Fast alle Bundesländer lassen Ausnahmen beim barrierefreien Bauen zu – oft mit der Begründung „unverhältnismäßiger Mehraufwand“. Klare Konsequenzen bei Verstößen gibt es selten. Einzig in Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen ist es überhaupt vorgesehen, Verstöße als Ordnungswidrigkeit zu ahnden.
Hinzu kommt: In nur sieben Bundesländern werden in den Bauordnungen Belange von Menschen mit Behinderungen explizit gelistet. Das sind Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein. Eine Erweiterung gibt es beispielsweise in Schleswig-Holstein. Dort sind auch beim Brandschutz die Belange behinderter Menschen ganz konkret zu beachten.
Aber ungeachtet dessen sind in Deutschland aktuell leider nur etwa 2 % aller Wohnungen vollumfänglich barrierefrei. Das reicht bei weitem nicht aus – angesichts des demografischen Wandels, der steigenden Zahl von Pflegebedürftigen und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen.
Barrierefrei – aber nur für Reiche?
Barrierefreiheit ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht. Doch wenn barrierefreie Wohnungen unbezahlbar sind, bleiben sie ungenutzt. Menschen mit Behinderungen haben statistisch gesehen im Durchschnitt 250 Euro weniger Einkommen im Monat als Menschen ohne Behinderung. „Was nützt die schönste barrierefreie Wohnung, wenn sie für die Betroffenen nicht bezahlbar ist?“, fragt Verena Gotzes. „Barrierefreiheit muss nicht nur gebaut, sondern auch bewohnbar sein – im doppelten Sinne.“
Dabei ist der finanzielle Mehraufwand im Neubau überschaubar: Laut Expert*innen kostet barrierefreies Bauen – bei frühzeitiger Planung – maximal 2 % mehr. „Das rechnet sich – für die Betroffenen und für die Gesellschaft“, so Gotzes. „Denn jede barrierefreie Wohnung spart langfristig hohe Pflegekosten und ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben.“
Dickicht aus Paragrafen muss weg!
Doch wer barrierefrei bauen möchte, hat es in Deutschland aktuell nicht leicht. Leider muss man sich durch ein Dickicht aus Paragrafen kämpfen, das in jedem Bundesland anders aussieht. Dazu Verena Gotzes: „Wir brauchen endlich einheitliche, klare und menschenrechtskonforme Vorgaben, damit Barrierefreiheit nicht vom Wohnort abhängt.“
Der BSK e.V. unterstützt dabei die Empfehlungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte ausdrücklich. Verena Gotzes fasst die wichtigsten Punkte zusammen:
Jetzt handeln! Für mehr Wohnraum, weniger Barrieren und gleiche Rechte
Der BSK e.V. fordert Bund und Länder auf, das Kompetenz-Gerangel zu beenden und eine bundesweite, verbindliche Regelung für barrierefreies Bauen zu schaffen. Dazu gehören auch gezielte Fördermittel, um barrierefreie Wohnungen für alle bezahlbar zu machen.
„Es geht um das Recht, selbstbestimmt zu wohnen. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Dafür braucht es den politischen Willen – und klare Vorgaben für alle“, so Gotzes abschließend. Sie verspricht: Wir von BSK e.V. stehen der als Politik jederzeit gern als kompetenter Ansprechpartner zum Thema barrierefreies Bauen zur Verfügung.“