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Begonnen hat alles lange vor meiner Zeit – in den 1960er-Jahren. Damals hieß unser Angebot noch „Handicaptours“ – ein kleiner, feiner Freizeitdienst. Ins Leben gerufen von Menschen mit Körperbehinderung selbst, die nicht länger auf Urlaube verzichten wollten. Sie planten, organisierten und begleiteten ihre Gruppenreisen eigenständig: auf die Schwäbische Alb, an den Thuner See in der Schweiz, nach Südtirol, Österreich oder sogar Spanien. Das war echte Pionierarbeit – lange bevor das Thema „barrierefreier Tourismus“ überhaupt gesellschaftlich sichtbar war.
In den 1980er-Jahren wurde das Reisen eine wichtige Säule des Bundesverbands Selbsthilfe Körperbehinderter. 1985 entstand aus den losen „Handicaptours“ der BSK-Reiseservice. Damals begann man auch, erste digitale Strukturen zu schaffen – mit einem eigenen Buchungsprogramm und Zugriff auf barrierefreie Unterkünfte im In- und Ausland. Rückblickend war das ein gewaltiger Schritt in Richtung Professionalisierung.
Ein Highlight war unser Spezialbus – ein barrierefreier Reisebus mit Hebebühne, in dem man im Rollstuhl sitzen bleiben konnte. Auch große E-Rollstühle fanden Platz. Unsere Fahrer Sepp und Harald waren wahre Profis – herzlich, hilfsbereit und bei unseren Gästen unglaublich beliebt. Doch leider nagte auch an ihm der Zahn der Zeit, so dass der Spezialbus leider relativ zeitig nach meinem Einstieg beim BSK abgeschafft wurde.
Ich selbst kam 1995 zum BSK – frisch von der Fachhochschule, voller Ideen, aber ehrlich gesagt: komplett ohne Erfahrung im barrierefreien Reisen. Das Reisebüro steckte damals mitten im Neuaufbau der frisch gegründeten BSK Reisen GmbH. Ich wurde nicht sofort ernst genommen – zumindest nicht von allen. Aber das hat mich nur noch mehr motiviert. Ich wollte beweisen: Reisen mit Behinderung kann genauso gut und individuell von einer Fußgängerin geplant werden wie jede andere Reise auch.
Und so stieg ich buchstäblich von null auf hundert ein. Mit jedem Reiseangebot, das wir entwickelten, wuchs mein Verständnis: Menschen mit Rollstuhl haben die gleichen Reisewünsche wie alle anderen – sie haben nur andere Anforderungen. Besonders stolz bin ich auf unsere Individualreisen, die mit den Jahren immer beliebter wurden. Anfängliche Skepsis wich schnell echtem Zuspruch.
Natürlich lief nicht alles immer glatt. Ab 2015 gingen die individuellen Buchungen leicht zurück – oft wegen kurzfristiger Anfragen oder dem Rückzug wichtiger Partner wie Accamino-Reisen oder der Raila UG für Afrika-Reisen. Aber unser Herzstück blieb: die Gruppenreisen, bei denen wir individuell auf jeden Einzelnen eingehen konnten.
Ich erinnere mich besonders an eine Teneriffa-Reise, bei der es einen Vulkanausbruch auf Island gab, der den internationalen Flugverkehr durch die Rauchentwicklung fast komplett zum Erliegen brachte. Aber wir haben es geschafft, unsere Gruppe mit vielen Rolli-Fahrer*innen sicher zurückzubringen. Es war eine Herausforderung – aber auch ein echtes Abenteuer für die Reisenden.
Ein wichtiger Meilenstein war dann die Gründung der NatKo (Nationale Koordinationsstelle Tourismus für Alle) 1999 in Mainz – gemeinsam mit sieben weiteren Behindertenverbänden. Daraus entstanden wertvolle Netzwerke für den barrierefreien Tourismus.
Zudem veröffentlichten wir jährlich unseren Reisekatalog, mit beliebten Zielen wie Griechenland, Mallorca oder Teneriffa. Zuerst als Faltblatt zum Einlegen, später dann als richtig gebundenen Katalog. Und auch auf Messen wie REHACARE, REHAB oder IRMA zeigten wir Flagge – oft zusätzlich noch bei kleineren Spezialveranstaltungen wie der Reisebörse der Berliner Pflegestützpunkte 2016.
Unsere Angebote reichten weit: rollstuhlgerechte Reiseassistenz, jährlich geschult beim BSK, Hilfsmittelorganisation von Pflegebett, Lifter, Scooter und ähnlichem und auf Wunsch sogar Haustürabholung. Es war jedes Mal bewegend zu sehen, wie skeptische neue Assistenzen nach der Schulung plötzlich mit Begeisterung dabei waren. Einige blieben viele Jahre, manche fanden dadurch sogar ihren Weg in die persönliche Assistenz.
Wir hatten viele treue Stammkunden. Weil sie wussten: Beim BSK werden sie ernst genommen. Hier zählte nicht Masse, sondern Qualität, Nähe und das echte Interesse an den Menschen. Wir wollten Reisen gestalten, die zu 100 % zu den Wünschen der Kund*innen passen – egal ob Ägypten, Frankreich (viele Flusskreuzfahrten) oder der Gardasee. Das Erlebnis zählt. Und das muss nicht immer „die große weite Welt“ sein – Hauptsache, es ist barrierefrei.
Die Corona-Pandemie war ein harter Einschnitt. Leider hat das Reisebüro diesen Schlag nicht überstanden. Nach über 55 Jahren leidenschaftlicher Arbeit wurde die BSK Reisen GmbH 2025 rechtskräftig aufgelöst. Das war schmerzhaft – nicht nur für die Mitarbeiterinnen, sondern für den gesamten BSK.
Und doch blicke ich mit Stolz zurück – gerade jetzt im 70. Jubiläumsjahr. Ich habe beim BSK unglaublich viel gelernt – über Reisen, über Barrierefreiheit, über Menschen. Je mehr Wissen ich sammeln konnte, desto bessere Reisen konnte ich gestalten. Keine Reise von der Stange – sondern individuell, mit Herz, auf Augenhöhe. Und ich habe auf diesem Weg wertvolle Freundschaften geschlossen, die teilweise bis heute bestehen. Für mich ist das gelebte Inklusion – oder wie ich gern sage: „ganz exklusiv inklusiv“.