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Meine Geschichte im BSK ist noch keine zehn Jahre alt. Alles begann mit dem Bahnhof meiner Heimatstadt Bargteheide. Vor genau zehn Jahren, am 1. August 2015, wurde das 150-jährige Bestehen des Bahnhofs Bargteheide gefeiert. Der Bahnhof liegt an der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck, die täglich von rund 60.000 Menschen genutzt wird. Der Anteil der Pendler daran ist groß. In Bargteheide wären 5.300 Berufstätige ohne die Bahn und den Bahnhof aufgeschmissen. Das war für mich der Anlass, einen Leserbrief an das Hamburger Abendblatt und an die örtliche „Markt“-Zeitung zu schreiben. Darin bemängelte ich, trotz allem Respekt für den altehrwürdigen Bahnhof, dass der leider nicht barrierefrei ist. Vor 150 Jahren baute man nämlich noch Bahnhöfe mit Bahnsteigen, die nur 38 cm oder weniger oberhalb der Schienenoberkannte hoch waren, halb so hoch wie heutzutage üblich.
Dementsprechend schwierig bis unmöglich ist der Ein- und Ausstieg für Menschen mit Behinderung, Rollstuhlfahrende, alte Menschen mit Rollatoren, Familien mit Kinderwagen und Fahrradfahrer*innen von diesen Bahnsteigen. Inklusion ist eben für alle wichtig. Die Bahnsteige sind auch für die Rampen („fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen“) der Doppelstockwagen zu niedrig, um zum Beispiel mit einem Elektromobil problemlos in den Zug gelangen zu können. Ich schlug deswegen vor, die Bahnsteige auf einem kurzen Stück, an dem die Waggons mit Rampe halten, zu erhöhen. Mein Leserbrief wurde am 12.08.2015 vom „Markt“ veröffentlicht und das Hamburger Abendblatt bat um ein Interview mit mir, das am 20.08.2015 erschien. Einen Tag später wurde ich auch von den Bussen des ÖPNV nicht mehr mit meinem Elektromobil transportiert und das Hamburger Abendblatts, die Lübecker Nachrichten, der „Markt“, das Stormarner Tageblatt und der NDR berichteten darüber.
Vom Protest zum Engagement: Der Weg in die Politik – und zum BSK
Ab da nahm die Geschichte ihren Lauf. Ich schieb an die Partei- und Fraktionsvorsitzenden aller in der Stadtvertretung vertretenen Parteien sowie an den damaligen Bürgermeister der Stadt Bargteheide (und heutigen Landrat des Kreises Stormarn) Dr. Henning Görtz. Alle antworteten mir freundlich, dass ihnen das Problem bekannt sei, indirekt aber auch, dass sie als Kommunalpolitiker leider nichts gegen die mächtige Deutsche Bahn ausrichten könnten. Das sei Bundes- oder Landessache. Eine Kreistagsabgeordnete der Grünen nahm mich mit zu einer Sitzung des dortigen Verkehrsausschusses, wo ich meine Beschwerden über den nicht barrierefreien Bargteheider Bahnhof erneut vortrug. Und wieder erhielt ich die gleiche Auskunft: das sei Bundes- oder Landessache.
Also schrieb ich an den damaligen Landesverkehrsminister von Schleswig-Holstein, Reinhard Meyer, und an dessen Staatssekretär Dr. Nägele, an den Bundesverkehrsminister (damals Alexander Dobrindt) und an die Bundesbehindertenbeauftragte (seinerzeit noch Verena Bentele). Und alle antworteten mir wieder freundlich und sinngemäß das gleiche: dass sie gegen die mächtige Deutsche Bahn leider nichts ausrichten könnten. Also schrieb ich an den Vorstand der Deutschen Bahn und erhielt prompt eine Antwort vom damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn Station & Service AG, Dr. Andre Zeug. Ihm sei bewusst, dass die Situation am Bahnhof Bargteheide „für mobilitätseingeschränkte Reisende unbefriedigend“ ist. Aber die Deutsche Bahn wolle bis zur Fertigstellung der S-Bahnlinie S4 von Hamburg nach Bad Oldesloe im Jahr 2027 oder 2028 nichts mehr in den alten Bahnhof investieren.
Meine Freundin Bärbel R. aus Berlin, BSK-Mitglied seit 1968 und jahrzehntelange Behindertenrechtsaktivistin, riet mir daraufhin 2016, Mitglied im BSK zu werden - was ich dann auch tat. Nicht viel später rief mich der Leiter der Landesvertretung Schleswig-Holstein des BSK, Matthias Krasa, an und sagte, dass er von mir und den Problemen am Bahnhof Bargteheide gehört hätte. Er fragte mich, ob ich BSK-Kontaktstellenleiter werden möchte. Das wäre doch sinnvoller als allein auf weiter Flur als „Einzelkämpfer“ zu kämpfen. Damit hatte er natürlich recht. Dennoch zögerte ich anfangs ein bisschen, weil ich nicht wusste, was da genau auf mich zukommt. Heute bin ich Bärbel R. und Mattias Krasa unendlich dankbar. Es macht wirklich einen großen Unterschied, ob man nur als Einzelkämpfer unterwegs ist oder mit einem starken Verband wie dem BSK im Rücken.
Das BSK-Fachteam sorgt für kompetente Außenwirkung
Kurz nachdem ich die Ernennungsurkunde zum BSK-Kontaktstellenleiter im August 2017 persönlich aus den Händen der stellvertretenden BSK-Bundesvorsitzenden Anita Reichert-Klemm im Beisein von Matthias Krasa, passend vor dem Rathaus Bargteheide, erhalten hatte, machte ich einen Termin bei der neuen Bargteheider Bürgermeisterin, Birte Kruse-Gobrecht. Über meinen „Antrittsbesuch“ bei der Bürgermeisterin hat die örtliche Presse ausführlich berichtet. Ab da nahm ich gelegentlich als Gast an den Sitzungen der Stadtvertretung und an der Arbeitsgruppe für die Beteiligung von Menschen mit Behinderung im Rathaus Bargteheide teil. Darüber hinaus wurde ich regelmäßig zu den Sitzungen des Kreisbehindertenbeauftragten mit den Schwerbehindertenbeauftragten und -beiräten der Städte und Gemeinden des Kreises Stormarn eingeladen.
Von 2018 bis 2020 war ich dann zusätzlich Mitglied im Fachteam Mobilität des BSK. Die hauptamtliche Leitung hatten Julia Walter und der damalige Geschäftsstellenleiter des BSK, Ulf-D. Schwarz. Die Mitarbeit im Fachteam hat mir sehr viel Spaß gemacht. Vor allem war diese Zeit sehr lehrreich für mich. Neben so tollen Männern wie Bernhard Endres und Peer Maßmann lernte ich im Fachteam auch Heike Witsch kennen. Heike Witsch war, neben Bärbel R. und Matthias Krasa, mit Abstand diejenige, die mich im BSK am meisten fasziniert, inspiriert, beeinflusst und beeindruckt hat. Heike Witsch war wie ein wandelndes Lexikon, vor allem wenn es um Fragen der Deutschen Bahn und der Mobilität im ÖPNV ging. Heike Witsch kannte jeden Zug- und Waggontyp mit allen technischen Details, jede Bahnstrecke in Schleswig-Holstein, jede Bahnsteighöhe und alle Gesetze, Verordnungen und Hilfsmittel. Mit ihrem Fachwissen und ihrem Sachverstand hätte sie mühelos als Referentin oder Referatsleiterin im Landes- oder Bundesverkehrsministerium arbeiten können. Sie ließ sich nie die Butter vom Brot nehmen. Bis zu ihrem Tod im Alter von über 80 Jahren hat Heike Witsch sich unermüdlich für Barrierefreiheit, Inklusion, für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und für den BSK engagiert.
Beharrlichkeit zahlt sich meistens aus
Im Fachteam Mobilität haben wir uns lange und intensiv, auch mit juristischer Unterstützung durch einen Rechtsanwalt, für die Mitnahme von Elektromobilen in Bussen des ÖPNV eingesetzt. Es gab zwar schon seit März 2017 in allen Bundesländern einen bundesweit einheitlichen Erlass, der die Mitnahme der Elektromobile regeln sollte. Doch das Problem war nun, dass viele Verkehrsunternehmen die Elektromobile trotzdem nicht transportieren wollten, weil die Busse nicht die notwendigen technischen Voraussetzungen erfüllten. Unser beharrlicher Kampf hatte letzten Endes Erfolg. Nach mehreren Gerichtsverfahren, Gutachten, Anhörungen und zähen Verhandlungen mit dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) werden Menschen mit Behinderung mit ihren Elektromobilen, unter Beachtung bestimmter technischer Voraussetzungen, seit einigen Jahren wieder in den Bussen des ÖPNV transportiert.
Weitere Erfolge als BSK-Kontaktstellenleiter konnte ich vor Ort in Bargteheide erzielen. Unter anderem beim barrierefreien Umbau des „Kleinen Theaters“ und des Kinos in Bargteheide. Dort hatten wir zusammen mit der AG für die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und dem Kreisbehindertenbeauftragten schon vor einigen Jahren bei einem Ortstermin eine Begehung durchgeführt und dabei die fehlende Barrierefreiheit und das viel zu kleine WC für Rollstuhlfahrende bemängelt.
Seit November 2024 ist der Neubau des Foyers des „Kleinen Theaters“ und des Kinos, einschließlich geräumiger Toilette für Rollstuhlfahrende, nach anderthalb Jahren Bauzeit nun endlich fertig gestellt. Das Gebäude erstrahlt in neuem Glanz. Die Kosten für den Umbau betrugen 1,2 Millionen Euro und wurden vom Land Schleswig-Holstein und der Förderregion Alstertal bezuschusst. 300.000 Euro davon kamen aus einem Förderfonds für Barrierefreiheit des Landes-Schleswig-Holstein. Der Umbau wurde am Ende 250.000 Euro teurer als ursprünglich geplant. Barrierefreiheit und Inklusion kosten leider manchmal auch viel Geld. Auch das unebene Kopfsteinpflaster vor dem Eingang zum Bürgerbüro des Rathauses wurde auf meine Anregung hin gegen ein glattes Pflaster ausgetauscht.
All dies zeigt, dass es mit Beharrlichkeit und Geduld, in guter Zusammenarbeit mit anderen Schwerbehindertenbeauftragten, anderen Verbänden, öffentlichen Stellen und Medien durchaus möglich ist, auch auf der ehrenamtlichen Ebene etwas zu erreichen und zu verändern. Allerdings dauert das oft jahrelang und/oder kostet sehr viel Geld. Deswegen bin ich weiterhin der Meinung, dass wir auf der politischen Ebene neue Gesetze und Strukturen benötigen, damit sich Barrierefreiheit und Inklusion auch juristisch besser durchsetzen lassen, so wie ich es schon 2019 und 2020 in meinen Artikeln „Das Märchen von der Inklusion“ (RehaTreff 3/2019 und 4/2019) und „Das Ende der Fahnenstange ist erreicht“ (RehaTreff 1/2020) beschrieben hatte.
Und der Bahnhof Bargteheide? Er ist weiterhin nicht barrierefrei bis zum Bau der neuen S-Bahnlinie S4 im Jahr 2027 oder 2028. Im Laufe der Geschichte der letzten zehn Jahre hat die Stadt Bargteheide nun mit Frau Gabriele Hettwer schon die dritte Bürgermeisterin, die sich mit dem Bahnhof und der Deutschen Bahn auseinandersetzen muss. Auch mit der neuen Bürgermeisterin bin ich im Kontakt. Sie hat mir zugesagt, mich über ihre Gespräche mit der Deutschen Bahn auf dem Laufenden zu halten. …
Durch die Corona-Pandemie, die furchtbaren Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen und andere weltpolitische Ereignisse, Kriege und Krisen sind die Themen Barrierefreiheit und Inklusion in der öffentlichen Diskussion in den letzten Jahren leider sehr weit in den Hintergrund getreten. Umso wichtiger ist es, dass es den BSK mit seinen vielen Mitgliedern als wichtige Interessenvertretung für Menschen mit Körperbehinderung gibt.
In diesem Sinne wünsche ich dem BSK und allen seinen Mitarbeitenden und Mitgliedern zum 70-jährigen Jubiläum alles Gute und weiterhin viel Erfolg.